Wie Bund, Länder und Kommunen gemeinsam profitieren können
Gastbeitrag von Jan Pörksen, Staatsrat und Chef der Hamburger Senatskanzlei
Viele Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen fragen zu Recht, warum die Verwaltung noch immer viel weniger digital ist als ihr Alltag. Der Blick auf das zurückliegende Jahr zeigt uns jedoch wichtige Fort-schritte der Verwaltungsdigitalisierung, die wir schon unmittelbar zu spüren beginnen. Und mit der nahenden Umsetzungsfrist des Onlinezugangsgesetzes Ende 2022 im Blick werden Bund, Länder und Kommunen in einer gemeinsamen Kraftanstrengung dieses Jahr mehr Verwaltungsleistungen online verfügbar machen als je zuvor. Das wird Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen viel Zeit und Aufwand ersparen. Gerade die Digitalisierung von Massenverfahren wird aber auch der Verwaltung selbst neue Möglichkeiten eröffnen. Bund, Länder und Kommunen können dabei gemeinsam profitieren – eine Win-Win-Win-Situation ist zumindest möglich.

Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Für die Ummeldung nach dem Umzug als eine der Top-10-Verwaltungsleistungen können wir – für den Anfang nur in Hamburg, aber bald auch bundesweit – noch im schon bald eine volldigitale Lösung anbieten. In Deutschland gibt es 5,5 Millionen Umzüge pro Jahr. Das bringt neben unzähligen, oftmals zeitraubenden Behördengängen für die Bürgerinnen und Bürger auch für die Verwaltungen einen hohen Aufwand mit sich. Für jeden einzelnen Umzug setzt die Verwaltung im Schnitt sieben Minuten Bearbeitungszeit an, real dauert es oft länger. Das bindet große Personalkapazitäten mit Routineaufgaben, die durch digitale Angebote vermeidbar werden.
Die Digitalisierung eröffnet den Verwaltungen so Spielräume für Innovation und mehr Qualität in der Dienstleistung. Das gilt insbesondere für diejenigen, die heute das Rückgrat des Verwaltungsvollzugs sind: Die Landes- und Kommunalverwaltungen. Sie werden perspektivisch von der Entlastung von massenhaften Routineaufgaben am meisten profitieren. Damit ergeben sich neue Möglichkeiten für einen gelebten Föderalismus, in dem Länder und Kommunen mehr Kundenorientierung und Raum für eigene Projekte haben. Also genau das, was wir von einer Verwaltung erwarten, die nah an den Bedürfnissen der Menschen im Land ist.
Alle gemeinsam werden wir zudem von geringeren Kosten profitieren, die aus dem Prinzip „Einer-für-Alle“ (EfA) resultieren werden. Erstmalig im Konjunkturpaket der Bundesregierung 2020 für die beschleunigte Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes eingeführt, stellt das EfA-Prinzip einen Paradigmenwechsel in der deutschen Verwaltungskultur dar. Dessen Bedeutung wird bald für alle sichtbar. Für in ganz Deutschland einheitliche Verfahren – die einen sehr großen Anteil der Routineaufgaben der Verwaltungen ausmachen – entwickelt ein Land einen Online-Dienst und alle anderen Länder können diesen anschließend nutzen. Dadurch werden mehrfache Entwicklungen des gleichen Dienstes vermieden und es können erhebliche Ressourceneinsparungen erzielt werden. Mittelfristig werden sich in der Folge zudem die heute teilweise ausufernden Fachverfahrenslandschaften konsolidieren, was zu weiteren Einsparungen führen wird. So werden alle Ebenen profitieren – Länder und Kommunen von einer Reduktion der täglichen Aufgabenlast im Vollzug, der Bund und alle Nutzenden zudem von einer weiteren Harmonisierung des Vollzugs bundeseinheitlicher Regelungen. Das Ziel ist einleuchtend und eigentlich kann keiner dagegen sein – es erfordert aber in der Umsetzung die Beseitigung mancher bürokratischen Hürden und einen Kulturwandel auf allen Ebenen der Verwaltung, der nur gelingen wird, wenn alle Verwaltungsspitzen mutig voranschreiten und diesen Kurs unterstützen. Konsequente Digitalisierung brauchen wir darüber auch, wenn wir den Blick auf Europa richten. Mit der Umsetzung der Single-Digital-Gateway-Verordnung ermöglichen wir, dass Menschen und Unternehmen in Europa noch enger zusammenwachsen können. Denn wenn Verwaltungen digital arbeiten, lassen sich Sprachbarrieren viel leichter überwinden, Anträge und Nachweise müssen nicht mehr umständlich auf Papier durch Europa reisen. Gerade für Deutschland als exportorientierte Wirtschaftsnation mit einer alternden Bevölkerung ist es wichtig, für Unternehmen und Menschen aus anderen europäischen Mitgliedsstaaten nahbar und offen zu sein. Mit einer konsequent digitalen Verwaltung tragen wir dazu an wichtiger Stelle bei.