PD Dr. Sönke E. Schulz
(Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages, Vorsitzender des Nationalen E-Government-Kompetenzzentrums)

Die Digitalisierung der Verwaltung und immer schnellere Innovationszyklen erfordern es, ergebnisoffen zu reflektieren, ob die bisherigen Formen der Realisierung zukunftstauglich sind. Dies beinhaltet das kritische Hinterfragen einzelner E-Government-Module ebenso wie eine Analyse, in wessen Verantwortung welche Bausteine des E-Governments liegen sollten. Angesichts des drohenden Fachkräftemangels dürften viele, insbesondere kleine Verwaltungen, zukünftig an Grenzen stoßen. Ohne mehr Kooperation innerhalb der öffentlichen Verwaltung und darüber hinaus, im Sinne eines Austauschs mit Unternehmen, NGOs und der Wissenschaft und deren Einbindung, wird es nicht gehen.
Mehr Kooperation hinsichtlich der „Verwaltung der Verwaltung“ schwächt die eigenverantwortliche Gestaltung nicht, sondern ist geeignet, Handlungsfähigkeit hinsichtlich der Sachaufgaben zu erhalten. Die Erkenntnis, dass nicht jede Verwaltung das Rad neu erfinden muss, ist nicht neu, ihre Nichtberücksichtigung würde aber im Kontext des OZG das Scheitern vorprogrammieren. Allein die hohe Anzahl der zu digitalisierenden Verwaltungsverfahren macht die OZG-Umsetzung zu einer besonderen Herausforderung, die es zwingend erscheinen lässt, arbeitsteilig vorzugehen. Ein wesentliches Element, um gleichwohl die OZG-Ziele in time, in budget, in quality zu erreichen, ist das Einer-für-Alle-Prinzip (EfA), also ein kooperativer und wettbewerblicher Föderalismus.
Für das EfA-Modell bedarf es einer Drehscheibe, die den Austausch der Leistungen organisiert und die aus den vielen Akteuren – wenige Federführer und damit: Betreiber, viele unterschiedliche Nutzer – resultierende Komplexität reduziert. Die Koordinierung erfolgt kooperativ durch die Bund-Länder-Anstalt FITKO, die den operativen Unterbau für den IT-Planungsrat bildet und mithilfe des FIT-Stores die Nachnutzung ermöglichen soll. EfA-Prinzip und Nachnutzung im FIT-Store dürften aber nur die ersten von vielen Anwendungsfällen sein: So ist die govdigital mit dem Ziel angetreten, die Voraussetzungen für die gemeinsame Entwicklung, Implementierung und den gemeinsamen Betrieb von IT-Systemen zu schaffen, Provitako will durch den gemeinsamen Einkauf die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit ihrer Mitglieder verbessern. Und wer weiß, ob am Ende der Verwaltungscloud-Strategie nicht eine gemeinsame Gesellschaftsstruktur steht, die dann ebenfalls sicherstellen muss, dass neben den Bundesländern auch kommunale Gebietskörperschaften möglichst niedrigschwellig partizipieren können. Insofern ist zu begrüßen, dass der Koalitionsvertrag auf Bundesebene explizit formuliert wird, dass die Kommunen im Rahmen des EfA-Prinzips entwickelte Lösungen übernehmen können müssen. Und auch der IT-Planungsrat hat jüngst den Ansatz eines ganzheitlichen EfA-Nachnutzungsmodells und den Aufbau eines anbieteroffenen Marktplatzes unter Einbindung der Kommunen befürwortet.
Schließlich müssen die vielen Projektergebnisse und Bausteine für eine digitale Verwaltung individuell für jede Verwaltung zusammengefügt und betrieben werden – unabhängig davon, ob es sich um Basiskomponenten, EfA-Dienste, eigene Anwendungen und Fachverfahren oder um klassische Standard-Software handelt. Hier rücken die IT-Dienstleister der öffentlichen Hand in den Mittelpunkt. Angesichts der Komplexität der Herausforderungen dürfte der klassische „Eigenbetrieb“ überhaupt nur für große Verwaltungen noch eine realistische Option sein. In den nächsten Jahren dürften sich daher größere Kooperationsstrukturen herausbilden, wobei diese – gerade in der öffentlichen Verwaltung – nicht in einen Wettbewerb untereinander treten, sondern bestimmte Themen gemeinsam, partnerschaftlich angehen sollten, z. B. den Rechenzentrumsbetrieb. Bei anderen Aspekten dürfte hingegen eine Spezialisierung, ggf. auch über Bundeslandgrenzen hinweg, und unter Einbeziehung externer Expertise anzustreben sein. Es scheint ausgeschlossen, dass jeder Dienstleister die erforderliche Expertise z. B. für KI, Cloud, Blockchain oder (Linked) Open Data vorhält.