Wo Zukunft zuhause ist
Gastbeitrag von Prof. Dr. Kristina Sinemus, Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung in Hessen
Der digitale Wandel prägt unser Leben in allen Bereichen. Dabei wächst bei den enormen Fortschritten im Bereich digitaler Netze und Datenverfügbarkeit sowie dem exponentiellen Wachstum der Rechenkapazitäten auch die Herausforderung, digitale Souveränität sicherzustellen. Hessen räumt deshalb digitaler Souveränität und den notwendigen Leitplanken in seiner Strategie „Digitales Hessen – Wo Zukunft zuhause ist“ eine besondere Priorität ein. Dies reicht von der Förderung eigener Plattformlösungen und dem Schutz vor Datenmonopolen über die Cybersicherheit in Wirtschaft und Verwaltung bis hin zur Förderung individueller Datensouveränität der Bevölkerung. Wir denken digitale Souveränität integriert in die übergreifenden bundes- und europapolitischen Übereinkünfte und entwickeln sie insbesondere auf drei Ebenen: 1. für die Bürgerinnen und Bürger, 2. für Unternehmen und 3. für die Verwaltung.
1. Die Frage nach digitaler Selbstbestimmung muss insbesondere die Bürgerinnen und Bürger in den Blick nehmen – der Mensch steht im Mittelpunkt hessischer Digitalpolitik. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist der Datenschutz, denn Datenschutz ist Grundrechtsschutz. Wir setzen uns für ein hohes und einheitliches Datenschutzniveau ein, das unabhängig vom geografischen Ort der Datenverarbeitung gelten muss. Ein weiterer Aspekt neben einem starken digitalen Ordnungsrecht ist die Verbrauchersouveränität. Bürgerinnen und Bürger müssen dazu befähigt werden, selbstbestimmt und souverän entscheiden zu können, ob und wie sie digitale Produkte und Dienstleistungen in ihren Alltag einbinden und wie sie sich in Betrugsfällen zur Wehr setzen können. Dafür schaffen wir Bildungs- und Informationsangebote und stellen Beratungs- und Fördermöglichkeiten bereit.
2. Unternehmen sind dann digital souverän, wenn ihre Wettbewerbsfähigkeit und Unabhängigkeit geschützt sind. Deshalb unterstützen wir mit Nachdruck ihre Innovationsfähigkeit, ihre Cybersicherheit und den Aufbau von Schlüsselkompetenzen und -technologien. Ein Schwerpunkt unserer Digitalstrategie liegt darauf, wie Fortschritte beim Internet der Dinge, Cloud-Computing, Blockchain, Quantencomputing, KI oder digitalen Plattformmodellen in sinnvolle Anwendungen und gesellschaftlichen Mehrwert gebracht werden können. Wir setzen auf maßgeschneiderte Förderung digitaler Innovationen, Leuchtturmprojekte, praxisnahen Wissens- und Technologietransfer und flächendeckende Beratungs- und Unterstützungsangebote. Denn für ein Flächenland wie Hessen sind sowohl der Finanzstandort Frankfurt, große Unternehmen und Start-Ups als auch die vielen mittelständischen und handwerklichen Betriebe wichtig.
Von hoher Bedeutung sind dafür auch der langfristige Aufbau leistungsfähiger und vertrauenswürdiger Dateninfrastrukturen, wie beispielsweise die Initiative GAIA-X, und gesetzliche Grenzen für Datenmonopole, wie der EU Digital Markets Act. So können wir dem Hang zu außereuropäischer Datenlokalisierung und Monopolbildung entgegentreten und eine digitale Ordnungspolitik europäischer Prägung verwirklichen.
3. Die Verwaltung muss ebenfalls jederzeit selbstbestimmt und handlungsfähig beim Einsatz ihrer IT und Daten sein, ihre kritische Infrastruktur schützen und sich auf die Nutzung vertrauenswürdiger IT-Produkte konzentrieren. Dies gilt für die Landes- und die kommunale Verwaltung gleichermaßen. Zentral ist sowohl die Sicherstellung einer durchgängigen Arbeitsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung als auch die Einhaltung und technische Stärkung von Datenschutz und Datensicherheit. Mit dem Projekt HessenSW2025 evaluieren wir gängige sowie alternative Lösungen (zum Beispiel auf Basis von Open-Source), um schon heute eine Perspektive für den digital-souveränen Verwaltungsarbeitsplatz von morgen aufzuzeigen. Dem Einsatz von Cloud-Systemen kommt dabei in der Zukunft eine bedeutende Rolle zu. Hessen beteiligt sich darüber hinaus aktiv in den entsprechenden Arbeitsgruppen des IT-Planungsrats zur Stärkung der digitalen Souveränität der deutschen Verwaltung. Denn nur wenn der Staat seiner Vorbildfunktion in der Digitalisierung gerecht wird, erhalten die Unternehmen sowie die Bürgerinnen und Bürger die notwendige Unterstützung ihrer digitalen Souveränität.
Beim Dreiklang Bürger/in – Unternehmen – Verwaltung geht es übergreifend um die Frage, wie wir uns einerseits digital schützen und andererseits digital weiterentwickeln. Zur Erreichung digitaler Souveränität müssen wir als freiheitlich-demokratische Gesellschaft und Teil der europäischen Wertegemeinschaft einen eigenen Weg finden in der Systemkonkurrenz zwischen dem digitalen Kapitalismus der USA und der digitalen Überwachungsautokratie Chinas. Dieser eigene Weg muss unsere Bevölkerung, unsere Unternehmen und unsere Verwaltung gleichermaßen mitnehmen und auf Basis von Transparenz und Kooperation, dem Schutz der Privatsphäre und Mündigkeit entwickelt werden.