Bei der Digitalisierung der Verwaltung geht es auch um Kompetenzen
⟩⟩⟩ von Matthias Lorenz, Behörden Spiegel
Die Frist rückt immer näher: Laut OZG müssen bis Ende 2022 alle Verwaltungsdienstleistungen auch digital angeboten werden. Doch hinter dem Digitalisierungsprozess der Verwaltung steckt mehr als nur die Anschaffung moderner Technik: Es gehe darum, die Digitalisierung vom Menschen her zu denken, fordert die Hessische Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung, Prof. Dr. Kristina Sinemus, auf dem vom Behörden Spiegel veranstalteten Fachkongress HEssenDIGITAL. Außerdem sind innovative Lösungen, unter anderem für die Mitarbeiterweiterbildung, gefragt. Hier sei die Metropolregion Rhein-Neckar Vorreiter: Die von ihr entwickelte Plattform „KommunalCampus” sei ein „Tinder für die Weiterbildung”, so der Landrat des in der Region gelegenen Landkreises Bergstraße, Christian Engelhardt.

„Die Digitalisierung soll dem Menschen nützen und nicht umgekehrt”, so Ministerin Sinemus. Grundlage für das Gelingen müsse eine gute und flächendeckende Infrastruktur sein. Wichtig sei jedoch auch, dass bei der Digitalisierung sowohl das gesellschaftliche Wertesystem einbezogen werde als auch ein Regelwerk, welches in die digitale Zukunft leiten solle. Sinemus erklärt dies am Beispiel KI: Hier wolle man in Hessen ressortübergreifend eine Art KI-TÜV entwickeln, der ein solches Regelwerk aufbaue. „Ziel ist es, dass KI in der Verwaltung oder an anderer Stelle verantwortungsbewusst und rechtskonform eingesetzt wird. Andererseits sollen Agilität und Zukunftsoffenheit ermöglicht werden”, so Sinemus. Bei der digitalen Verwaltung soll für die Ministerin die einfache und transparente Antragsstellung an erster Stelle stehen: „So wird erstens die Akzeptanz erhöht und zweitens die Arbeit der Verwaltung reduziert.” Zur Umsetzung der Digitalisierung brauche es eine strategische Steuerung, alle Beteiligten müssten auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Diesen behördenübergreifenden Ansatz zu gewährleisten, sei auch Aufgabe eines Digitalministeriums. Ein solches Ministerium, welches auch über ein eigenes Budget und operative Verantwortung verfüge, wünscht sich Sinemus nach der Bundestagswahl auch für den Bund.
Auch wenn Behörden bei der Digitalisierung zusammenarbeiten müssen, stoßen sie je nach Kontext auf unterschiedliche Schwierigkeiten, zum Beispiel je nach Lage im ländlichen oder urbanen Raum. „Gerade durch die Digitalisierung lassen sich einige der im ländlichen Raum vorhandenen Standortnachteile lösen”, sagt Landrat Engelhardt. Grund sei, dass klassische Infrastruktur wie zum Beispiel im Bereich Medizin gut durch digitale Lösungen ergänzt werden könne. Aufbau der digitalen Infrastruktur sei eine öffentliche Aufgabe, da sich der Aufbau für Unternehmen im ländlichen Raum aufgrund fehlender Skaleneffekte nicht lohne.
Qualifizierte Mitarbeiter sind unerlässlich
Aus Engelhardts Ausführungen wird deutlich, wie wichtig die Kooperation von Gemeinden und Kreisen untereinander für das Gelingen der Digitalisierung gerade im ländlichen Raum ist. So werden in der Metropolregion mehrere Projekte, zum Beispiel ein 5G-Rettungsnetz oder ein geodatenbasierter Datenpool, vorangetrieben.
Neues Aushängeschild der Region soll jedoch der KommunalCampus sein. Die Herausforderung, qualifizierte Angestellte zu finden, beschränke sich längst nicht nur auf Informatiker. „Wir brauchen Mitarbeiter, die Spezialisten in ihrem jeweiligen Verwaltungsfachgebiet sind, gleichzeitig aber auch eine hohe digitale Kompetenz haben und sich mit Prozessmanagement auskennen”, so der Landrat.
Aus dieser Anforderung heraus sei die Weiterbildungsplattform entstanden. Dabei habe man sich für einen bedarfsorientierten Ansatz entschieden, erklärt Engelhardt. Jeder Weiterbildungsteilnehmer erhalte ein individuelles, aufeinander aufbauendes Weiterbildungsprogramm. Ähnlich wie bei der Dating-App Tinder würden auf KI basierende Match-Mechanismen eingesetzt. Mit Projekten wie diesen wolle man auch im ländlichen Raum bei der Digitalisierung vorne mit dabei sein, sagt Engelhardt.