Nach der OZG-Zielmarke Ende 2022 geht die Arbeit weiter
⟩⟩⟩ von Matthias Lorenz, Behörden Spiegel
Das Ziel kommt so langsam in Sichtweite: Gemäß dem Onlinezugangsgesetz (OZG) müssen Ende 2022 alle Verwaltungsdienstleistungen in Deutschland auch digital angeboten werden. Selbst wenn dieses Ziel erreicht werden sollte, ist die Arbeit danach nicht vorüber, wie auf dem Kongress Digitale Verwaltung Rheinland-Pfalz deutlich wurde. Darüber hinaus sind gerade beim für die OZG-Umsetzung so wichtigen Einer-für-alle-Prinzip (EfA-Prinzip) noch einige Fragen offen.
Die aktuelle Situation im Kontext OZG beschreibt Fedor Ruhose, neuer CIO und CDO des Landes Rheinland-Pfalz, wie folgt: „In der Szene ist die Zielmarke
31. Dezember 2022 immer sehr prägnant.” Man müsse sich jedoch die Frage stellen, was danach passiere. “Wir werden ja auch in einer Post-OZG-Welt über Digitalisierung diskutieren”, so der Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung des Landes. Es sei klar, dass da weitere Herausforderungen warten würden.
Welche Herausforderungen das sind, erklärt Dr. Paul Wermter, Leiter der Stabsstelle Zentrale Koordinierung OZG im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität von Rheinland-Pfalz. „Zurzeit zielt das OZG sehr stark auf die Digitalisierung der Antragsstellung”, sagt Dr. Wermter. Man sei zuversichtlich, dies auch bis zum vom Gesetzgeber festgelegten Zieldatum zu schaffen. Die Arbeit gehe danach aber weiter, und zwar mit der Digitalisierung des sogenannten Back-Ends, also zum Beispiel der internen Abläufe. Aus Behördensicht hätte er sich an dieser Stelle eine andere Vorgehensweise gewünscht. Bevor die digitale Tür geöffnet werde, hätte man zuerst das Backend digitalisieren sollen.
Vorausschauend gehandelt
Im Landkreis Cochem-Zell hat man in dieser Hinsicht vorausschauend gehandelt. Bereits 2016 startete dort ein Bürgerportal, in dem inzwischen 60 Prozesse digital umgesetzt wurden. Nicht nur vergleichsweise einfache Leistungen wie die Anmeldung von Sperrmüll sind enthalten, sondern auch kompliziertere Verfahren wie die Beantragung oder die Verlängerung eines Jagdscheines. „Es war beim Bürgerportal immer unser Anspruch, die Leistung auch im Backoffice digital, also möglichst medienbruchfrei abzuwickeln”, erläutert Hermann Johann vom Landkreis. Die Leistung einem Nutzer online anzubieten, so wie es das OZG verlange, sei wirklich nur der erste Schritt. Patricia Müllner, Teamleiterin Kooperatives E-Government bei der Metropolregion Rhein-Neckar, fordert in dieser Hinsicht ein „OZG 2.0”, welches auch das Back-End in den Blick nehme. „Man kann sich nicht mehr sträuben, auch die eigenen Prozesse in den Blick zu nehmen.” Nach 2022 werde es auch um Fachverfahrensanschlüsse und Kollaborationsplattformen gehen.
Doch auch alle Leistungen für die Antragsteller zu digitalisieren, stellt gerade die kommunalen Verwaltungen vor eine enorme Herausforderung. Zentral für das Gelingen ist das EfA-Prinzip. Auch hier geht der Landkreis Cochem-Zell mit dem Bürgerportal voran. Gestartet gemeinsam mit einer Verbandsgemeinde im Landkreis, seien inzwischen alle anderen Verbandsgemeinden ebenfalls an Bord, erzählt Johann. Außerdem kooperiere man im Rahmen eines Projekts auch mit zwei weiteren Landkreisen. Digitalisierte Verwaltungsleistungen sollen so für alle beteiligten Kreise nutzbar werden.
Nichtsdestotrotz sind gerade in Sachen EfA-Prinzip noch einige Fragen offen. So sieht es zumindest Achim Fürst, OZG-Koordinator der KommWis, des kommunalen IT-Dienstleisters der rheinland-pfälzischen Kommunen. „Die Nachnutzbarkeit von EfA-Prozessen auf der kommunalen Seite bereitet uns noch Sorgen”, so Fürst. Es gebe in Rheinland-Pfalz noch keinen richtigen Weg, wie Nachnutzung ermöglicht werden könne. Die technischen Rahmenbedingungen seien dabei das geringste Problem, eher gehe es zum Beispiel um rechtliche Schwierigkeiten. An dieser Stelle müsse auch der Bund nochmal nachlegen. Darüber hinaus gehe es vor allen Dingen darum, dass Kommunen auch die Chance hätten, zu erfahren, wo eventuell schon Leistungen entwickelt würden, die dann zur Nachnutzung bereitstünden. In dieser Hinsicht fordert auch Johann von der Bundes- und Landesebene, in Sachen OZG wesentlich transparenter zu werden. „Man muss ganz offen und viel offensiver kommunizieren: Was gibt es in Sachen OZG und wo stehen wir?”
Welche Gründe könnte es aber noch für die Ausbaufähigkeit des EfA-Prinzips geben? Dietrich de Fries, Programm-Manager OZG beim IT-Dienstleister CONITAS für den Landesbetrieb Daten und Information Rheinland-Pfalz, sagt, es gebe verschiedene Formen der Nachnutzung. Entweder könne man ganze Leistungen nachnutzen oder nur bestimmte Bausteine oder Module. „Welche Art der Wiederverwendung man macht, muss jeder Leistungserbringer selbst entscheiden. Die Entscheidung ist für die Leistungskoordinatoren eine schwierige, komplexe Entscheidung.” Dies sei eine Ursache dafür, dass die Nachnutzung momentan relativ langsam anlaufe.
Austausch zwischen Fachebenen
In der Metropolregion Rhein-Neckar, die sich neben Rheinland-Pfalz auch über die Bundesländer Hessen und Baden-Württemberg erstreckt, müssen bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen, die für die gesamte Region nutzbar sein sollen, besonders viele Dinge beachtet werden. Schließlich gibt es auf Landesebene verschiedene Regelungen, die es zu beachten gilt. So berichtet Teamleiterin Müllner von der „Königsdisziplin”, nämlich der Digitalisierung von Leistungen im Bereich Planen und Bauen. Hier gebe es rund fünfzig verschiedene Rechtsgebiete, die beachtet werden müssten. Generell müsse gerade für den Austausch zwischen den Fachebenen der Verwaltung gesorgt werden. Dieser sei meist sehr fruchtbar und habe für vereinfachte Arbeitsweisen gesorgt.
Johann betont in diesem Zusammenhang, die Tatsache, dass Verwaltungen so heterogen aufgestellt seien, erweise sich im Kontext OZG als ein echter Nachteil. Man werde nicht darum herumkommen, Harmonisierungen durchzuführen. Dies betreffe auch die Software-Ebene. Dort, wo Harmonisierungen auf Software-Ebene nicht möglich seien, brauche es Verständigungsmöglichkeiten für den Datenaustausch. Das Stichwort lautet Schnittstellen. Schließlich gelte es auch, persönliche Eitelkeiten zurückzustellen und als Kommune immer zu schauen, wo Nachnutzungsmöglichkeiten bestünden. „Wenn gute Ideen bereitstehen, muss es schnell möglich sein, diese zu adaptieren.” Er verweist auf ein Beispiel aus seinem Landkreis, der zunächst selbst den Baugenehmigungsprozess digitalisieren wollte, dieses Projekt dann aber stoppte, weil man auf eine anderswo entwickelte Lösung gestoßen war. Dieses Beispiel zeigt: Noch scheint es oft Zufall zu sein, ob Verwaltungen von anderswo digitalisierten Leistungen erfahren. Es braucht also ein verbessertes Informationsmanagement, damit das EfA-Prinzip auch wirklich seine volle OZG-Beschleunigungsleistung entfalten kann. Nach dem Erreichen der OZG-Zielmarke geht es dann darum, für einen medienbruchfreien Ablauf der gesamten Verwaltungsverfahren zu sorgen.